Russland fordert multipolare Weltordnung

Lawrow kritisiert unipolare Weltordnung unter US-Dominanz

In seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat kritisiert der russische Außenminister die US-dominierte unipolare Weltordnung und stellt den Ukrainekrieg in einen geopolitischen Kontext. Seine Rede wird hier komplett wiedergegeben.

Foto: Screenshot YouTube/PBS
Veröffentlicht:
von

Angesichts der vielen Artikel in den Mainstream-Medien, welche die Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow nur interpretierend wiedergeben, wollen wir hier den Hauptteil der Rede komplett abdrucken, so dass sich jeder selbst ein Urteil machen kann. Die Quelle ist das russische Außenministerium [LINK]. Wir machen uns nicht mit dem Inhalt gemein, sondern sehen ihn als historische Quelle, die jeder für sich selbst interpretieren kann.

Hier die Rede von Segej Lawrow bei den öffentlichen Debatten des UN-Sicherheitsrats zum Thema „Effizienter Multilateralismus via Schutz der Prinzipien der UN-Charta“, New York, 24. April 2023:

Zitat:

»Ich werde jetzt eine Erklärung als Außenminister der Russischen Föderation abgeben.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, Sehr geehrte Kollegen!

Es ist symbolisch, dass wir unsere Sitzung am Internationalen Tag des Multilateralismus und Diplomatie für den Frieden, der durch Resolution der UN-Generalversammlung am 12. Dezember 2018 in den Kalender der denkwürdigen Tage aufgenommen wurde, abhalten.

In zwei Wochen werden wir den 78. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg begehen. Die Zerschlagung von Nazi-Deutschland, wo ein entscheidender Beitrag von meinem Land mit Unterstützung der Verbündeten geleistet worden war, ließ ein Fundament der internationalen Nachkriegsordnung bilden. Seine rechtliche Grundlage wurde die Charta der Vereinten Nationen, und unsere Organisation selbst, die den wahren Multilateralismus verkörpert, bekam eine zentrale, koordinierende Rolle in der Weltpolitik.

Im Laufe von 80 Jahren ihrer Existenz erfüllt die UNO ihre von den Gründungsvätern gelegte wichtige Mission. Im Laufe von einigen Jahrzehnten garantierte das grundlegende Verständnis von fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats die Hoheit der Ziele und die Prinzipien der Charta die globale Sicherheit. Damit wurden Bedingungen für eine wirklich vielseitige Zusammenarbeit geschaffen, die durch allgemein anerkannte Völkerrechtsnormen geregelt werden.

Jetzt erlebt das UN-zentrische System eine tiefe Krise. Der Grund war das Streben einzelner Mitglieder unserer Organisation, das Völkerrecht und die UN-Charta mit einer „auf Regeln beruhenden Ordnung“ auszutauschen. Diese „Regeln“ hat niemand gesehen, sie waren nicht der Gegenstand der transparenten internationalen Verhandlungen. Sie werden zur Bekämpfung natürlicher Prozesse der Bildung neuer selbstständiger Zentren der Entwicklung, die gerade einen objektiven Multilateralismus darstellen, genutzt. Man versucht, sie mit illegitimen einseitigen Maßnahmen zurückzuhalten, darunter Sperrung des Zugangs zu modernen Technologien und Finanzdienstleistungen, Verdrängen aus Lieferketten, Beschlagnahmung des Eigentums, Vernichtung der kritischen Infrastruktur der Konkurrenten, Manipulationen mit allgemein abgestimmten Normen und Verfahren. Als Ergebnis – Fragmentierung des Welthandels, Zerstörung der Marktmechanismen, Lahmlegung der WTO und endgültige Verwandlung von IWF in ein Instrument zum Erreichen der Ziele der USA und ihrer Verbündeten, darunter militärische Ziele.

In einem verzweifelten Versuch, die Herrschaft via Bestrafung der Ungehorsamen zu billigen, gingen die USA auf die Zerstörung der Globalisierung ein, die seit vielen Jahren als höchstes Gut der ganzen Menschheit, die das multilaterale System der Weltwirtschaft bedient, präsentiert wurde. Washington und der sich ihm untergeordnete restliche Westen setzt seine „Regeln“ jedes Mal ein, wenn man illegitime Schritte gegen jene, die ihre Politik gemäß dem Völkerrecht aufbauen und sich weigern, gemeinnützigen Interessen der „goldenen Milliarde“ zu folgen, rechtfertigen soll. Nichteinverstandene werden auf schwarze Listen nach dem Prinzip – „wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“ gesetzt.

Für westliche Kollegen ist es seit langer Zeit unbequem, sich in universellen Formaten wie UNO zu einigen. Für eine ideologische Erklärung eines Wettbewerbs zur Untergrabung des Multilateralismus wurde das Thema der Einheit der „Demokratien“ als Gegengewicht für „Autokratien“ eingeführt. Neben „Gipfeln für Demokratie“, deren Zusammensetzung vom selbst ausgerufenen Hegemonen diktiert wird, werden andere „Klubs der Auserwählten“ gebildet, die unter Umgehung der UNO vorgehen.

„Gipfel für Demokratie“, „Allianz für Multilateralismus“, „Globale Partnerschaft zur Künstlichen Intelligenz“, „Globale Koalition für Medienfreiheit“, „Pariser Aufruf zu Vertrauen und Sicherheit in Cyberspace“ – alle diesen und anderen nichtinklusiven Projekte sind mit dem Ziel konzipiert, die Verhandlungen zu entsprechenden Themen unter Schutzherrschaft der UNO zu untergraben, dem für den Westen vorteilhafte Konzepte und Lösungen aufzudrängen.

Zunächst wird etwas in einem engen Kreis vereinbart, dann werden diese Vereinbarungen als „Position der internationalen Gemeinschaft“ präsentiert. Wollen wir die Dinge bei ihrem Namen nennen – niemand hat der westlichen Minderheit erlaubt, im Namen der ganzen Menschheit zu sprechen. Man sollte sich anständig benehmen und alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft respektieren.

Mit dem Aufdrängen der „auf Regeln beruhenden Ordnung“ lehnen ihre Autoren das wichtigste Prinzip der UN-Charta ab – die souveräne Gleichheit der Staaten. Der Höhepunkt der „Ausschließlichkeit“ war eine „stolze“ Erklärung des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell darüber, dass Europa ein Garten im Paradies und die restliche Welt ein Dschungel sei. Ich möchte auch eine Gemeinsame Erklärung der Nato und EU vom 10. Januar dieses Jahres zitieren: „Der vereinigte Westen“ wird alle bei der Nato und EU vorhandenen wirtschaftlichen, finanziellen, politischen und – ich möchte darauf besonders aufmerksam machen – militärische Instrumente zur Gewährleistung der Interessen „unserer Milliarde“ nutzen.

„Der kollektive Westen“ will auch die Prinzipien des Multilateralismus auf regionaler Ebene für sich umbauen. Noch vor kurzer Zeit riefen die USA zur Wiederbelebung der Monroe-Doktrin auf und forderten von den Ländern Lateinamerikas, die Verbindungen mit der Russischen Föderation und Volksrepublik China zu beschränken. Dieser Kurs stieß aber auf die Entschlossenheit der Länder der Region, eigene multilaterale Strukturen zu festigen, vor allem Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), wobei eigenes legitimes Recht verteidigt wird, sich als eine der Stützen der multipolaren Welt zu festigen. Russland unterstützt umfassend solche gerechten Bestrebungen.

Jetzt sind bedeutende Kräfte der USA und ihrer Verbündeten auf die Untergrabung des Multilateralismus in der Asien-Pazifik-Region gerichtet, wo ein erfolgreiches offenes System der Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft und Sicherheit sich seit Jahrzehnten um ASEAN bildete. Dieses System ließ Konsens-Herangehensweisen ausarbeiten, die ASEAN-Mitgliedern und ihren Dialogpartnern, darunter Russland, China, Indien, Japan, Australien, Republik Korea, passt, das einen wahren inklusiven Multilateralismus gewährleistet. Mit Präsentierung der Indopazifischen Strategien nahm Washington Kurs auf die Zerschlagung dieser Architektur.

Auf dem vorjährigen Nato-Gipfel in Madrid sagte die Allianz, die alle immer von eigener Friedensliebe und ausschließlich verteidigenden Charakter ihrer Militärprogramme überzeugte, über die „Unteilbarkeit der Sicherheit“ im Euro-Atlantik und in so genannter Indo-Pazifischen Region. Also die Verteidigungslinie der Nato (als Verteidigungsallianz) verschiebt sich nun an die westliche Küste des Pazifischen Ozeans. Block-Herangehensweisen, die den ASEAN-zentrischen Multilateralismus untergräbt, zeigen sich bei der Schaffung der neuen Militärallianz AUKUS, wohin Tokio, Seoul und mehrere ASEAN-Länder gedrängt werden. Unter der Schutzherrschaft der USA werden Mechanismen der Einmischung in Fragen der Marinesicherheit mit Schwerpunkt auf die Gewährleistung einseitiger Interessen des Westens im Südchinesischen Meer geschaffen. Josep Borrell, den ich heute bereits zitierte, versprach gestern, in diese Region Marinekräfte der EU zu schicken. Es wird nicht verheimlicht, dass das Ziel der indopazifischen Strategien die Abschreckung Chinas und die Isolierung Russlands ist. So wird von westlichen Kollegen ein „effizienter Multilateralismus“ in der Asien-Pazifik-Region verstanden.

Nach der Auflösung des Warschauer Paktes und Verlassen der politischen Bühne durch die Sowjetunion tauchte eine Hoffnung auf die Umsetzung der Prinzipien eines wahren Multilateralismus ohne Trennlinien im Euro-Atlantik-Raum auf. Aber statt Entwicklung des Potentials der OSZE auf gleichberechtigter gemeinsamer Grundlage haben die westlichen Länder nicht nur die Nato beibehalten, sondern auch trotz Zusicherungen den Kurs auf ein freches Aufsaugen der anliegenden Gebiete genommen, darunter Gebiete, wo es immer vitale Interessen Russlands gab und geben wird. Wie der damalige US-Außenminister James Baker dem US-Präsidenten George Bush mitteilte: „Die Hauptbedrohung für die Nato ist die OSZE“. Ich würde hinzufügen, dass in unseren Tagen sowohl die UNO, als auch die Anforderungen ihrer Charta ebenfalls eine Bedrohung für globale Ambitionen Washingtons darstellen.

Russland versuchte geduldig, gegenseitig vorteilhafte multilaterale Vereinbarungen mit Stütze auf das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit zu erreichen, das auf der höchsten Ebene in den Dokumenten der OSZE-Gipfel 1999 und 2010 feierlich erklärt wurde. Dort steht schwarz auf weiß eindeutig geschrieben, dass niemand seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit der Anderen festigen soll, und kein Staat, Gruppe der Staaten bzw. Organisation vorteilhafte Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Friedens in der Region der Organisation tragen bzw. einen Teil der OSZE-Region als eigenen Einflussbereich betrachten darf.

Die Nato pfiff auf diese Verpflichtungen der Präsidenten und Regierungschefs ihrer Mitgliedstaaten und ging umgekehrt vor, wobei eigenes Recht auf jede Willkür ausgerufen wurde. Ein eklatantes Beispiel – rechtswidrige Bombenangriffe auf Jugoslawien 1999, darunter mit dem Einsatz der Geschosse mit abgereichertem Uran, die anschließend einen Ausbruch von onkologischen Erkrankungen sowohl bei serbischen Staatsbürgern als auch bei Nato-Militärs auslösten. Joe Biden war damals Senator und sagte stolz vor Kameras, dass er persönlich zu Bombenangriffen gegen Belgrad und Zerstörung aller Brücken an der Drina aufgerufen hatte. Nun ruft der US-Botschafter in Belgrad Christopher Hill via Medien die Serben dazu auf, diese Seite zu schließen und damit aufzuhören, das übel zu nehmen.  In Bezug auf die These „damit aufhören, das übelzunehmen“ haben die USA eine große Erfahrung. Japan schweigt bereits seit Langem darüber, wer Hiroshima und Nagasaki bombardiert hat. In Schulbüchern steht kein einziges Wort darüber. Vor kurzem sagte US-Außenminister Antony Blinken auf G7-Treffen über die Leiden der Opfer der damaligen Bombenangriffe, erwähnte aber nicht, wer sie organisiert hat. So sind die „Regeln“. Niemand wagt es, sie zu verletzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Dutzende verbrecherische Militärabenteuer Washingtons – ohne Versuche, multilaterale Legitimität zu sichern. Wozu, wenn es unklare “Regeln” gibt?

Eine beschämende Invasion der von den USA geführten Koalition im Irak 2003 erfolgte als Verstoß gegen die UN-Charta ebenso wie die Aggression gegen Libyen 2011. Das Ergebnis – die Vernichtung der Staatlichkeit, hunderte Tausend Todesopfer, Willkür des Terrorismus.

Eine grobe Verletzung der UN-Charta war die Einmischung der USA in die Angelegenheiten der Postsowjetstaaten. Es wurden bunte Revolutionen in Georgien und Kirgisistan, ein blutiger Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 organisiert. Dazu gehören auch die Versuche einer gewaltsamen Machtergreifung in Belarus 2020.

Die Angelsachsen, die den ganzen Westen anführen, rechtfertigen nicht nur all diese kriminellen Affären, sondern prahlen quasi auch mit ihren Aktivitäten zur „Förderung der Demokratie“. Aber das tun sie wiederum nach ihren „Regeln“: In Kosovo wurde die Unabhängigkeit ohne ein Referendum anerkannt, und die Unabhängigkeit der Krim wurde auch trotz des Referendums nicht anerkannt; die Falklandinseln bzw. Malwinen sollten in Ruhe gelassen werden, weil dort ein entsprechendes Referendum stattgefunden hat, wie der britische Außenminister James Cleverly unlängst gesagt hat. Das ist doch lächerlich!

Zwecks Verzicht auf Doppelstandards rufen wir alle auf, sich an den Konsensvereinbarungen zu richten, die im Rahmen der nach wie vor in Kraft bleibenden UN-Erklärung über die Prinzipien des Völkerrechts von 1970 vereinbart wurden. Dort ist die Notwendigkeit klar und deutlich verankert, die Souveränität und territoriale Integrität der Staaten zu respektieren, die „das Prinzip der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker einhalten und Regierungen haben, die das ganze Volk, das auf diesem Territorium lebt, vertreten“. Für jeden unvoreingenommenen Beobachter ist es offensichtlich, dass das Kiewer Nazi-Regime keineswegs als Vertreter der Einwohner der Territorien gelten darf, die sich geweigert haben, die Ergebnisse des blutigen Staatsstreiches im Februar 2014 zu akzeptieren, und gegen die die Putschisten den Krieg entfesselt haben. Genauso kann Pristina nicht das Recht beanspruchen, die Interessen der Kosovo-Serben zu vertreten, denen die EU eine Autonomie versprochen hatte – genauso wie Berlin und Paris Donbass einen Sonderstatus versprochen hatten. Die Ergebnisse dieser Zusicherungen sind allgemein bekannt.

Unser Generalsekretär António Guterres  hat es in seiner Ansprache an den Zweiten Gipfel für Demokratie am 29. März sehr gut formuliert: „Demokratie geht aus der UN-Charta hervor. Ihre ersten Worte sind: Wir, Völker – widerspiegeln die fundamentale Quelle der legitimen Macht: die Zustimmung derjenigen, über die verwaltet wird.“ Das betone ich abermals.

Um den wegen des Staatsstreichs entfesselten Krieg im Osten der Ukraine zu stoppen, wurden multilaterale Bemühungen im Interesse der friedlichen Regelung unternommen, die in der Resolution des UN-Sicherheitsrats umgesetzt wurden, in der die Minsker Vereinbarungen einstimmig befürwortet wurden. Diese Vereinbarungen wurden aber von Kiew und seinen westlichen Schutzherren zertreten, die vor kurzem selbst zynisch und sogar mit Stolz zugegeben haben, dass sie sie nie umsetzen wollten, sondern nur Zeit gewinnen wollten, um die Ukraine mit Waffen zu versorgen, die gegen Russland eingesetzt werden sollten. Dadurch wurde die Verletzung der multilateralen Verpflichtung aller UN-Mitglieder öffentlich zugegeben, die in der UN-Charta verankert ist, die von allen Ländern die Erfüllung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verlangt.

Unser konsequentes Vorgehen zwecks Verhinderung der Konfrontation, darunter die Vorschläge Präsident Putins zur Absprache von multilateralen gegenseitigen Sicherheitsgarantien vom Dezember 2021, wurde hochmütig abgelehnt. Man sagte uns damals, dass niemand die Nato dabei behindern könnte, die Ukraine aufzunehmen.

In all den Jahren, die seit dem Staatsstreich vergangen sind, hat niemand von den westlichen Schutzherren des Kiewer Regimes trotz unserer Aufrufe Pjotr Poroschenko oder auch Wladimir Selenski, oder auch die Oberste Rada der Ukraine in die Schranken gewiesen, als sie sich konsequent um die Vernichtung der russischen Sprache, der Ausbildung in russischer Sprache, der Medien und auch der russischen kulturellen und religiösen Traditionen im Allgemeinen bemühten und dadurch die Verfassung der Ukraine und universale Konventionen über die Rechte von nationalen Minderheiten direkt verletzten. Parallel setzte das Kiewer Regime auf gesetzgebender Ebene und einfach im Alltagsleben die Theorie und Praxis des Nazismus um. Es organisierte im Zentrum von Kiew und in anderen Städten große Fackelzüge unter den Fahnen von SS-Divisionen – und im Westen schwieg man nur und rieb sich zufrieden die Hände. Das passte voll und ganz ins Konzept der USA, die in der Hoffnung, Russland allseitig zu  schwächen, dieses rassistische Regime „hochgezogen“ hatten und den strategischen Weg zur Beseitigung der Konkurrenz und zur Zerstörung von jeglichen Szenarien gehen wollten, die eine gerechte Multilateralität in den internationalen Angelegenheiten vorsehen.

Heutzutage ist allen klar (obwohl nicht alle das laut sagen): Es geht gar nicht um die Ukraine, sondern darum, wie sich die internationalen Beziehungen künftig entwickeln werden – durch einen stabilen Konsens auf Basis der Interessenbalance oder durch aggressive und explosive Förderung der Hegemonie. Die „Ukraine-Frage“ darf nicht separat vom geopolitischen Kontext betrachtet werden. Multilateralität sieht Respekt für die UN-Charta und für den ganzen Komplex der darin verankerten Prinzipien vor, was schon gesagt worden ist. Russland hat die Aufgaben, die es im Rahmen seiner militärischen Sonderoperation verfolgt, klar und deutlich erläutert: Es geht um die Beseitigung der durch die Nato in den letzten Jahren verursachten Gefahr für unsere Sicherheit und um den Schutz der Menschen, die ihre in multilateralen Konventionen verankerten Rechte  verloren haben. Sie müssen von den vom Kiewer Regime öffentlich zum Ausdruck gebrachten Drohungen beschützt werden, sie zu vernichten oder von den Territorien zu verdrängen, wo ihre Vorfahren jahrhundertelang gelebt haben. Wir haben ehrlich gesagt, wofür und für wen wir kämpfen.

Vor dem Hintergrund der Hysterie, die die USA und die EU gerade vorantreiben, stellt sich die Frage: Und was haben Washington und die Nato in Jugoslawien, im Irak, in Libyen getan? Gab es dort Gefahren für ihre Sicherheit, Kultur, Religion, für ihre Sprachen? An welchen multilateralen Normen richteten sie sich, als sie wider die OSZE-Prinzipien die Unabhängigkeit Kosovos ausriefen und die wirtschaftlich eigenständigen Staaten wie Irak und Libyen zerstörten, die Zehntausende Meilen weit weg von der US-Küste liegen?

Zu einer Gefahr für das multilaterale System wurden die frechen Versuche der westlichen Staaten, die Sekretariate der UNO und anderer internationaler Organisationen unter ihre Federführung zu stellen. Die quantitative Kader-Dysbalance zugunsten des Westens gab es schon immer, aber bis vor kurzem gab sich das Sekretariat die Mühe, neutral zu bleiben. Doch jetzt ist diese Dysbalance quasi chronisch, und Mitarbeiter des Sekretariats erlauben sich immer häufiger, sich politisch motiviert zu handeln, was für internationale Beamte unangebracht ist. Wir rufen den verehrten Generalsekretär António Guterres  auf, dafür zu sorgen, dass alle seine Mitarbeiter im Sinne des Artikels 100 der UN-Charta unvoreingenommen handeln. Wir rufen auch die Leitung des Sekretariats auf, sich bei der Vorbereitung von Initiativdokumenten zur „allgemeinen Tagesordnung“ und zur „neuen Tagesordnung für die Welt“ an der Notwendigkeit zu richten, die Mitgliedsländer auf die Wege zur Suche nach Konsens und Interessenbalance aufmerksam zu machen und nicht zugunsten von neoliberalen Konzeptionen zu handeln. Andernfalls wird es am Ende nicht zu multilateraler Agenda, sondern zu weiterer Vertiefung der Kluft zwischen der „goldenen Milliarde“ und der globalen Mehrheit kommen.

Was die Multilateralität angeht, so  sollte man sich nicht nur am internationalen Kontext richten, und genauso darf man diesen internationalen Kontext nicht ignorieren, wenn man von Demokratie redet. Es darf keine Doppelstandards geben. Multilateralität und Demokratie müssen sowohl innerhalb der Staaten als auch in den Beziehungen zwischen Staaten respektiert werden. Alle wissen, dass der Westen anderen seine Vorstellung von der Demokratie aufdrängt, dabei aber keine Demokratisierung der internationalen Beziehungen auf Basis des Respekts für die souveräne Gleichheit der Staaten will. Doch jetzt treibt er nicht nur seine „Regeln“ in der internationalen Arena voran, sondern „würgt“ auch die Multilateralität und Demokratie bei sich zu Hause, indem gegen jegliches Andersdenken immer repressivere Instrumente eingesetzt werden. Und dasselbe tut auch das kriminelle Kiewer Regime, das dabei die Unterstützung seiner „Lehrer“ genießt – der USA und ihrer Verbündeten.

Sehr geehrte Kollegen, wir haben eine sehr gefährliche Linie erreicht, genauso wie in den Jahren des Kalten Kriegs – oder sogar eine noch gefährlichere Linie. Die Situation wird umso schwerer, weil der Glaube an die Multilateralität verloren gegangen ist, wobei die finanzielle und wirtschaftliche Aggression des Westens die Vorteile der Globalisierung zerstört, wenn Washington und seine Verbündeten auf Diplomatie verzichten und auf Auseinandersetzungen „auf dem Schlachtfeld“ bestehen. Und das alles passiert in den Räumlichkeiten der UNO, die einst gegründet wurde, um den Schreck eines neuen Kriegs zu verhindern. Die Stimmen der verantwortungsvollen und vernünftigen Kräfte, ihre Aufrufe zu politischer Weisheit und zur Wiederbelebung der Dialogkultur werden von denjenigen eingedämmt, die sich um die Zerstörung der grundlegenden Prinzipien der zwischenstaatlichen Kommunikation bemühen. Wir alle sollten zu den Wurzeln zurückkehren und die Ziele und Prinzipien der UN-Charta, ihre ganze Vielfalt und gegenseitige Verbindung, einhalten.

Die  wahre Multilateralität verlangt heutzutage eine Anpassung der UNO an objektive Tendenzen der Gestaltung einer multipolaren Architektur der internationalen Beziehungen. Es muss die Reformierung des UN-Sicherheitsrats intensiviert werden – durch eine Erweiterung der Präsenz asiatischer, afrikanischer und lateinamerikanischer Länder. Die aktuelle übertriebene Präsenz des Westens in diesem wichtigsten UN-Gremium zerstört das Prinzip der Multilateralität.

Auf Initiative Venezuelas wurde eine Gruppe der Freunde für die Verteidigung der UN-Charta gebildet. Wir rufen alle Staaten, die die UN-Charta respektieren, auf, sich daran zu beteiligen. Es ist auch wichtig, das konstruktive Potenzial der BRICS und der SOZ einzusetzen. Auch die EAWU, die GUS und die OVKS wären bereit,  ihren Beitrag zu leisten. Wir sind dafür, dass die Initiative der Positionen regionaler Vereinigungen der Länder des Globalen Südens genutzt wird. Eine positive Rolle bei der Aufrechterhaltung der Multilateralität könnte auch die G20 spielen, wenn ihre westlichen Mitglieder aufhören, ihre Kollegen von akuten Fragen der Tagesordnung abzulenken, um ihre eigene Verantwortung für die aktuellen Krisenerscheinungen in der Weltwirtschaft in den Hintergrund zu verdrängen.

Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, die Vereinten Nationen als Muster der Multilateralität und Koordinierung der Weltpolitik aufrechtzuerhalten. Der Schlüssel zum Erfolg besteht in gemeinsamer Arbeit, im Verzicht auf Ansprüche auf  Außerordentlichkeit und (wie gesagt) im Respekt für die souveräne Gleichheit  der Staaten. Ausgerechnet darunter haben alle ihre Unterschriften gesetzt, als  die UN-Charta ratifiziert wurde.

Im Jahr 2021 plädierte Präsident Putin für ein Gipfeltreffen der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plädiert. Die Spitzenpolitiker Chinas und Frankreichs befürworteten diese Initiative, die aber vorerst leider nicht umgesetzt werden konnte. Dieses Thema ist unmittelbar mit der Multilateralität verbunden, und zwar nicht weil die fünf Großmächte gewisse Privilegien im Vergleich zu den anderen haben, sondern gerade wegen ihrer besonderen Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt im Sinne der UN-Charta. Ausgerechnet das verlangen heutzutage die Imperative des UN-zentrischen Systems, das wegen des Vorgehens des Westens gerade vor unseren Augen auseinanderfällt.

Die Besorgnisse um diesen Sachverhalt  bringen die Länder des Globalen Südens – von Ost- bzw. Südostasien, der arabischen und muslimischen Welt und bis zu Afrika und Lateinamerika – immer lauter zum Ausdruck. Wir legen viel Wert auf ihre aufrichtigen Bemühungen um die Regelung jeglicher Probleme der Gegenwart im Rahmen einer fairen kollektiven Arbeit, die sich auf Ausbalancierung der Interessen auf Basis der souveränen Gleichheit der Staaten und der Unteilbarkeit der Sicherheit stützen sollte.

Zum Schluss möchte ich mich an alle Journalisten wenden, die unsere Beratung beleuchten. Ihre Kollegen aus den russischen Massenmedien wurden hierhin nicht zugelassen. Die US-Botschaft in Moskau hat sich bereit erklärt, ihnen Einreisevisa auszustellen, als unser Flugzeug schon abgehoben war. Deshalb habe ich eine große Bitte an Sie: Gleichen Sie den Wegfall der russischen Journalisten aus – vermitteln Sie bitte dem internationalen Publikum in Ihren Reportagen die richtige Multilateralität der Meinungen und Einschätzungen!«

Zitat Ende

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: L. Mohr

Es ist eine der vielen Reden, die Lawrow und auch Putin zur Lage der Weltpolitik gehalten haben. Beide überzeugen von Sachlichkeit, ohne Polemik und mit hohem Sachverstand. Von der westlichen Seite hingegen kommen lediglich Diffamierungen, Unterstellungen und Lügen. Der Westen hat sich seine Glaubwürdigkeit selbst genommen. Wer kann schon Politikern trauen, die bereit sind, wenn nötig, die halbe Menschheit auszurotten, nur um ihre Vormachtstellung zu behaupten. Wenn der sogenannte Wertewesten so weiter macht, ist er dem Untergang geweiht. Nur im Dialog auf Augenhöhe ist ein Leben miteinander möglich. Anzeichen hierfür sehe ich allerdings nicht.

Gravatar: werner S.

Es ist ein großer Fehler der deutschen Politiker und der Europäer, nach dem Willen der Amis, Russland aus der Weltgemeinschaft auszuschließen.
Das alles nur wegen ihren seichten, sogenannten Werten. Wegen einem Märchen, das ihnen durch den Way of Life eingeredet wird, aber die wenigsten daran teilhaben.
Der Graben wird dadurch irreparabel tief.

Gravatar: Karl Biehler

Wenn man diesen Mann hört, muss man sich für Frau Holefleich-Trampolin in Grund und Boden schämen.

Gravatar: Hein

Lawrow ist ein Profi, mit allen Wassern gewaschen. Er würde nie mit so Bierbocks, Haböcks freiwillig reden. Er weiß, dass Bierbock nicht mal weiß für wen sie überhaupt versucht zu sprechen. Lawrow weiß, die Berliner Bande sind nicht seine Ansprechpartner.

Gravatar: <Frank>

Russland sucht Verbündete und geht in die Diplomatische Offensive. Das ist gut.

Nur das heißeste Eisen trauen auch sie sich nicht anzufassen. Die sogenannte Nachkriegsordnung. An diesem Eisen verbrennen sich letztendlich alle Siegermächte ihre Finger. Das wäre die diplomatische Atombombe. Ich denke diese hebt man sich bis zum Schluß auf, weil man sich ja nicht freiwillig selbst verletzen will.

Doch der Staat welcher dieses Eisen in die Hand nimmt UND halten/führen kann, wird sich zweifelsohne die Hand verbrennen, doch das Machtgefüge deutlich in seine Richtung reißen. Er wird für lange Zeit eine ethische Vorbildfunktion haben wenn er es schafft KONSEQUENT bei der Wahrheit zu bleiben.

Bin gespannt wer sich das letztendlich traut!

Einer muß es sowieso, denn in der Neuzeit geht kein Wissen mehr verloren. Die Frage ist nur WER diese Bombe zündet.

Und ja, es steckt die größte Hoffnung der Deutschen darin.

Gravatar: Nordmann

Ein brillianter Redner und Diplomat ist Herr Lawrow.
Die Multipolare Weltordnung ist faktisch gestartet.
BRICS wird sich ungehindert weiterentwickeln.
Ob es den USA-Regierenden Oligarchen nun gefällt oder nicht. Die Wirtschaftsmacht entscheidet das Spiel.
Das werden auch unsere US- Möchtegern- (oder Angst-Vasallen) und die ukrainischen Marionetten schlucken müssen.

Gravatar: Jos Kinter

Diese US-Geschosse damals gegen Jugoslawien haben die Speiseröhre mehrere Kinder (23) in Szeged an der Grenze gekostet. Wie vielen in Jugoslawien, bitte nachforschen.
Sie kamen ohne Speiseröhre in die Welt.
Das gleiche wünsche ich dieser Verbrecherbande, das bei dem so etwas passiert.
Auge um Auge-----
Hat jemand noch ein Wunsch?

Gravatar: Toni Landler

Toll und es ist wahr, endlich.
Der Jüan hat den $ übertroffen heute.
Außerdem die westl. Medien lügen, denn Xi hat Elendskii aufgefordert Friedensverhandlungen aufzunehmen, sonst wird er den Russen unterstützen.
Die neue Weltordnung werden viele von uns noch erfahren, D. wird keine große Rolle mehr spielen.
Kommt der Ausverkauf, wie bei Vissmann, Habicht grinst dazu.

Gravatar: HrBrauser

Viele vernünftige Worte, die leider nichts nutzen.
Ich bin dafür, besser ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende.
Ein Ultimatum an alle. Eine Wasserstoffbombe auf ein beliebiges Ziel, z.B. Berlin, London, Paris, New York oder wer auch immer. Alle haben mehr oder weniger Schuld und wollen nicht hören oder verstehen. und müssen deshalb fühlen.
Die Menschheit ist dermaßen verrückt, dass es nur so geht. Die sowieso zu Vielen haben es nicht anders verdient und einige zum Überleben und Neuanfang werden wohl durchkommen.

Gravatar: Die Vernunft

Eine schöne Rede, und da es der Sache dient, wird Hitlerdeutschland natürlich in den Boden getreten. Rußland weiß viel mehr, als es sagt, und es sagt auch nur, was seiner Sache dient.

So wird bei all den schönen Schwärmereien immer wieder vergessen, wie es überhaupt dazu kommen konnte.

Dabei hätte Hitler diesen Krieg nur zu gerne vermieden.

Ein kurzer Geschichtsabriß. Karl Marx, Friedrich Engels, Lenin und Stalin gingen davon aus, das der Sozialismus in ganz Europa auf einmal siegt. (Proletarier aller Länder vereinigt euch.) Doch er siegten nur in Rußland, ähnliche Revolutionen, hervorgerufen durch die Not im 1. Weltkrieg, wurden niedergeschlagen.
Stalin glaubte/ wußte, das sich der Sozialismus nur auf Dauer halten kann, wenn er sich über ganz Europa ausbreitet. Durch die erfolgreiche englische Politik der Isolation und der KRIEGSERKLÄRUNGEN gegen Deutschland sah Stalin 1941 seine Chance zum Sturm auf Europa gekommen. Er wäre ohne Deutschland bis zum Atlantik marschiert, England hätte er eventuell nicht erobert. Doch Hitler war darüber informiert, und kam ihn in einem Kampf auf Leben und Tod zuvor. ... Mit dem Nachkriegseuropa erreichte Stalin nicht das wirklich Gewünschte, weswegen er auf der Siegestribüne nach dem großen vaterländischen Krieg fehlte, denn der Kampf West gegen Ost war noch unentschieden, und brach wieder aus. ...
Im Moskauer Museum ist klar beschrieben, warum Rußland gesiegt hat. Die Deutschen schossen im 2.WK 3 X mehr Panzer Rußlands ab, als umgekehrt. Dafür bauten die Russen 10 X mehr Panzer. Dazu kam, das Deutschland an vielen Stellen Krieg führen mußte, unter allierten Bombenteppichen litt, und weitestgehend von Treibstoffbeschaffungen abgeschnitten war.
Unsere Großväter haben heldenhaft gekämpft, aber gegen diese Macht zu bestehen, war unmöglich.
Und heute wird das große Karthago ausgelöscht, und spielt international keine selbstbestimmte Rolle mehr.

Jetzt soll der nächste Gegner des Wertewestens ausgeschaltet werden. Kommt das für Herrn Lawrow so überraschend?

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang